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Versicherung der Zukunft: Megatrends in den GSV

Herzlich Willkommen zu unserer Interviewreihe mit Top-Versicherungsexperten zum Thema Innovation.

Bei ExB dreht sich alles um bedeutsame Innovation, eine bessere Customer Experience und intelligente Technologie. Deshalb führen wir einen globalen Dialog mit den besten Versicherungsunternehmen der DACH-Region, um mit dem Puls der Zeit zu gehen, wenn es um die Themen Transformation, neue Produkte und innovative Lösungen geht.

Genau aus diesem Grund stehen wir im regelmäßigen Austausch mit enthusiastischen Innovatoren und Vorreitern der digitalen Transformation im Versicherungssektor, um gemeinsam die neuesten Entwicklungen zu betrachten und die Zukunft der Versicherungsbranche zu beschreiben, die sich immer wieder aufs Neue als äußerst dynamisch und experimentell erwiesen hat.

In diesem ersten Interview spricht Dr. Ramin Assadollahi (ExBs CEO, Experte für Neurolinguistik und Computer Science, Erfinder und Autor) mit Christiane Vössing, seit 2010 Leiterin des Fachbereiches Versorgungsmanagement bei der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Knapp­schaft-Bahn-See, über Veränderungen in Betriebsabläufen während der Corona-Pandemie, welche Erkenntnisse man aus der aktuellen Situation ziehen kann und welche Megatrends sie in den gesetzlichen Sozialversicherungen sieht.

Die Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gehört zum Verbund des bundesweiten Sozialversicherungsträgers Knappschaft-Bahn-See (KBS).

Einzigartig ist ihr eigenes medizinisches Netz mit Knappschaftskrankenhäusern, Rehabilitationskliniken, einem eigenen sozialmedizinischen Dienst und niedergelassen Ärzten. Darüber hinaus gehören die Minijob-Zentrale und die Arbeitgeberversicherung, sowie die Bundesfachstelle Barrierefreiheit und die Fachstelle rehapro zum Verbund der KBS. Rund 900 Menschen ergänzen ihr Beratungsangebot um weitere wertvolle, wohnortnahe Beratungsmöglichkeiten: Sie helfen Versicherten zum Beispiel bei der Stellung eines Renten- oder Reha-Antrags oder holen wichtige Informationen für Versicherte ein.

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Das Inter­view

RA: Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Megatrends, die sich in den nächsten Jahren tatsächlich tiefgreifend auf die Geschäftsbetriebe in der Versicherungsbranche auswirken werden?

CV: Generell schauen wir eher auf gesellschaftliche Trends, als auf technische. Einen Megatrend im Gesundheitswesen gibt es aber: Der Gesetzgeber hat vor, in den nächsten fünf Jahren die Themen digitale Kommunikation und digitaler Austausch zu manifestieren und Informationen zu zentralisieren. Das Gesundheitswesen steuert in Richtung Patienten-Basiertheit. Es gibt die elektronische Patientenakte (EPA) als Kernanwendung, die unter der Führung des Patienten stehen wird. Von dort aus wird jegliche Kommunikation und Informationsaustausch gesteuert.

RA: Als Versicherter finde ich das super – natürlich wenn ein Patient mündig ist, mit seinen Daten umzugehen. Aber wie sehen Sie das aus der Sicht der Versicherer?

CV: Der Gesetzgeber weist den Krankenkassen damit eine andere, neue Rolle zu. Rechtlich werden die Kassen an die Seite der Versicherten gestellt und man kommt aus der Dreiecksbeziehung – Kasse – Leistungserbringer – Versicherter – heraus. Damit erfüllen wir unseren eigentlichen Auftrag, und zwar Sachverwalter der Patienteninteressen zu sein.

In der Vergangenheit war ein großer Punkt, die Versichertengelder zu verteilen, und damit sind wir quasi schon Haushälter der Versicherten. Aber jetzt sollen die Kassen mehr Verantwortung übernehmen und Chancen nutzten in dem Bereich der Versorgungsgestaltung im Sinne des Versicherten.

Da helfen digitale Tools natürlich extrem. Im Gesetz heißt das “digitale Gesundheitskompetenz”. Die Kassen sind in der Pflicht, Versicherte zu unterstützen und tatsächlich mal mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

RA: Absolut! Die Leute gehen sonst auf wer-weiß-was.de oder ähnliche Seiten und holen sich falsches Wissen ein, was die Ärzte natürlich auch stresst. Qualifizierte Aufklärung der Versicherten, ohne dass es einen Beigeschmack von Beeinflussung hat ist auf jeden Fall die richtige Richtung.
Deswegen möchte ExB in Richtung Analytics gehen. Alle gesammelten Daten sind nicht nur auf einen einzigen Fall anwendbar. Sie sind vorhanden, werden aber nicht ausgewertet und somit deren Potenzial nicht genutzt.

CV: Das ist aus meiner Sicht noch kein Megatrend, aber ich glaube schon, dass es verstärkt in diese Richtung geht. Das wird auch ein bisschen unterstützt durch die Gesetzgebung, aber auch die ganze Diskussion um die Forschungsdatenbanken und Datenschutz sind natürlich auch ein Thema. Ich glaube auch hier hat Corona extrem geholfen, wenn man mal das Gute im Schlechten sehen will.

Ein Verständnis dafür zu kriegen, dass es plötzlich eine Erkrankung gibt und keiner weiß, bei wem sie wie verläuft und warum. Und an einer solchen Stelle kann man dann Daten zusammenführen. Das erinnert mich an ein Projekt der Charité. Die Versicherer haben die Patientendaten und können schauen, wer ist der Patient, wo kommt er her, was gibt es für Vorerkrankungen.

Und das passiert dann im Krankenhaus, es wird geschaut, was beachtet werden muss, über Sektorgrenzen hinweg. Folgeerkrankungen oder -schäden zu beobachten und dann vielleicht ein Verständnis dafür zu entwickeln.

RA: Es gibt ja auch verschiedene Ansatzpunkte: das eine ist die historische Patientenakte und das zweite ist möglicherweise auch lokale Informationen, weil die Gegebenheiten unterschiedlich sind. Was mich auch wundert, wir machen lauter Corona-Tests und man würde alle Daten, die da durch gehen, anonymisieren und zu analytischen Zwecken zusammenführen, könnte man alles viel tiefer auswerten. Daraus könnten wir wahnsinnig viele Erkenntnisse gewinnen. Und das passiv; die Daten werden ja sowieso produziert. Das wäre auch super spannend.

CV: Also wenn man in dem Thema so bisschen zu Hause ist, und da mal anfangen würde – Stichwort Corona-App – da hätte ich auch noch so einige Ideen. In Jena gibt es auch ein Modellprojekt. Es hat ja jeder ein Smartphone. Und den Restaurants wird das Leben etwas schwer gemacht.

Man könnte einfach jedem, der rein will, einen Barcode zuordnen, scannen und dann sind die Daten für 14 Tage gespeichert für den Fall, dass jemand positiv getestet wird. Jeder hat dann auf seinem Handy die Informationen, wo er die letzten zwei Wochen gewesen ist. Erstens kann man dann mal schauen, stecken sich die Leute wirklich im Restaurant an, und zweitens würde es die Nachverfolgung der Kontakte viel einfacher gestalten.

RA: Da kommt aber Datenschutz ins Spiel. Das ist so ein Fall von informationeller Selbstbestimmung vs. Lebensqualität. Wir sagen immer, Datenschutz ist ein hohes Gut, aber wir sichern uns Datenschutz immer nur auf Vorrat. Man kommt aber an einen Punkt, wo man zwischen Datenschutz und Lebensqualität entscheiden muss – und da müsste man anfangen, sich auch inhaltlich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Das passiert im Moment einfach noch nicht genug. Die Datenschützer wollen alles schützen – aber nur vorsichtshalber. Nutzenabwägung ist noch kein Thema.

Diese Diskussion müssen wir alle mal qualifiziert führen, dann können wir aus dem Ganzen viel mehr Gesundheit machen als nur lokal, wo Akten bearbeitet und Rechnungen bezahlt werden.

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CV: Wir werden das sogar noch sehen in den nächsten 5 bis 10 Jahren. Viele denken in die gleiche Richtung, auch unser Gesundheitsminister. Bis jetzt kamen nur die Datenschutzbedenken in die Quere. Es sind alles institutionelle Dinge. Wenn man die Leute auf der Straße fragen würde oder die Ärzte, würde die Antwort ganz anders ausfallen, als die der Kassenärztlichen Vereinigung.

RA: Stichwort Angst vor dem Unbekannten. Vorsichtshalber wird zugemacht und sich geschützt. Außerdem sind in den letzten 2 Dekaden die Kosten für eine Erhebung massig gefallen. Big Data ist auch kein Schlagwort mehr, sondern man kann es einfach umsetzen. D.h. die ganzen technischen Möglichkeiten kommen immer näher und es geht nicht mehr um eine Utopie, sondern um einen gesellschaftlichen Diskurs, der geführt werden muss.

CV: Ein Trend, der mir noch einfallen würde, ist, dass diese bisher sektorierte Betrachtung im Gesundheitswesen immer weiter abnimmt. Auch unterstützt durch digitale Tools.

Menschen leben nicht in Sektoren, sondern in übergreifenden Lebenswelten. Jeder nimmt mehrere, sich nicht ausschließende Rollen an, wie Vater, Mutter, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, sozial engagiert oder auch nicht – aber es führt jeder nur ein Leben. Diese Zentrierung, dieser Fokus geht wieder auf Mensch und nicht auf Versicherter.

RA: Das entspricht meiner Vision für das Gesundheitswesen. Ich sehe da auch nicht diese Dreiecksbeziehung mit Pharma – Payer – Provider und irgendwo gibt es dann noch einen Patienten. Sondern es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, dieses Viereck zu optimieren. Wir wollen zu den günstigsten Kosten die Lebensqualität und Lebensdauer maximieren. Dadurch, dass die unterschiedlichen Interessenvertreter voneinander getrennt sind, haben diese auch nicht die Optimierung des Gesamtsystems, sondern nur ihrer Sektoren im Kopf.

CV: Das bekommt man möglicherweise, wenn man wieder den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ein Beispiel aus analogen Zeiten fällt mir da ein: die Versorgung von älteren, pflegebedürftigen Menschen, wir nennen das Pflege im Quartier.

Die Idee war, dass die Kassen, die Kommune und soziale Träger müssten eigentlich alle zusammen arbeiten. Nehmen wir das Thema Stürze. Es hat eigentlich nichts mit den Kassen zu tun, aber die Konsequenzen werden dann aber damit finanziert.

Durch Investitionen in betreutes Wohnen und beispielsweise Zusammenarbeiten mit Wohnungsbaugesellschaften könnten viele solcher Verletzungen verhindert werden. In einer digital zentrierten Welt, wo der Versicherte im Mittelpunkt steht, ist der Austausch darüber zumindest möglich.

RA: Gerade Altenpflege ist ein Thema, das man angehen könnte. Es gibt so viele Möglichkeiten, die ältere Bevölkerung zurück ins Leben zu holen statt sie einfach nur zu verwalten.
Kommen wir zur letzten Frage.

Als Innovation Manager empfehlen Sie neue technologische Änderungen. Wie entscheiden Sie welche Technologien für Ihr Unternehmen relevant sind? Anhand welcher Entscheidungskriterien treffen Sie die Auswahl, wenn mehrere Lösungen bzw. Anbieter zur Auswahl stehen?
Was sind die wichtigsten Faktoren für den technologischen Wandel?

CV: Als Innovationsmanager muss man sich an Dingen orientieren, die vor einem liegen. Was würde uns eine neue Technologie bringen? Gibt es dadurch mehr Angebote für Kunden? Würden wir attraktiver auf dem Markt wirken? Der Gegenpunkt dazu sind dann natürlich die Kosten und wie das Neue in meine bereits vorhandene Infrastruktur passt. Wie hoch ist der Aufwand und lohnt er sich? Welche Prozesse werden dadurch möglicherweise ausgelöst? Das sind die vorrangigen Punkte, auf die geschaut werden muss.

Wie entscheiden wir? Finanziell ist natürlich einfach. Aber wie beurteilen wir ob uns etwas einen Wettbewerbsvorteil bringt oder nicht? Müssen wir aufschließen zu den anderen Versicherern? Haben Mitwettbewerber so etwas schon mal gemacht und liegen sie damit vorn? Aber die Entscheidung, ob etwas tatsächlich innovativ ist und ob wir es wirklich brauchen, ist Teamerfahrung und auch Bauchgefühl.

In meinem Team setzen wir uns immer hin und diskutieren darüber was man mit den Möglichkeiten schaffen kann. Sehen wir möglicherweise schon einen Versorgungsdefizit oder einen Defizit in unseren Prozessen? So gehen wir im Versorgungsmanagement vor. Ein Projekt, dass wir in die Wege geleitet haben und was auch gut läuft, ist unsere Zusammenarbeit mit Krankenhäusern. Sobald einer unserer Versicherten in ein Krankenhaus kommt, schicken wir die Daten, also die Krankenhistorie hin. Also Diagnosen, Arzneimittel, usw. Das ist schon ein paar Jahre her, da hatten wir noch ein bisschen mehr
Freiheiten. Da waren wir uns einig, dass das gut läuft. Das adressiert ein reales Problem, wir glauben daran und es ist eine gute Lösung. Ob das die richtige ist, wird sich natürlich noch zeigen.

Internes und externes Marketing hat das dann umgesetzt. Und daraus ist ein Team gewachsen, dass großes Hintergrundwissen hat, nicht nur technisches. Das ist vielleicht auch ein Geheimnis, man braucht nicht nur Spezialisten. Man braucht im Prinzip nur Menschen, die ein Gespür für Technologie haben, aber auch Wissen um Versorgungsprozesse und generell was Versicherungen angeht.

RA: Da bin ich total dabei! Überblick ist viel wichtiger als Fachwissen. Fachwissen führt zu konservativem Denken in gewisser Weise. Wenn man breit und flach denkt, hat man alles makroskopisch im Blick und und schaut über Grenzen und auch Sektoren hinaus.
Das war für mich eine sehr wertvolle Stunde. Ich bedanke mich für Ihre Zeit und Ihren Input!

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Geschrieben von:

Dr. Ramin Assadollahi

CEO & Gründer ExB

Dr. Ramin Assadollahi ist Computerlinguist, Erfinder und klinischer Psychologe und gilt als einer der KI-Vordenker in Deutschland.
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