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Der Aufstieg KI-gestützter Dokumentenverarbeitung

In diesem Beitrag untersuchen wir die Herausforderungen bei der Automatisierung von Dokumentenprüfungen – von variierenden Layouts bis zur Datenkonsistenz über verschiedene Dokumente hinweg. Wir zeigen, wie moderne Künstlichen Intelligenz (KI), allen voran Large Language Models (LLMs), diese Hürden meistert, und beleuchten ein Praxisbeispiel zur Automatisierung von Seefrachtbriefen.
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Die manuelle Bearbeitung von Versanddokumenten – von komplexen Seefrachtbriefen über Rechnungen bis hin zu unzähligen Zollformularen – ist für Logistikdienstleister nach wie vor ein Schmerzpunkt. Manuelle Prozesse zur Verarbeitung der Dokumente binden Arbeitsressourcen, sind Ursache für kostspielige Fehler und lassen sich oft nur schwer skalieren. Wenn die Hochsaison zuschlägt oder die Grippewelle das Team dezimiert, können selbst gut organisierte Abteilungen ins Straucheln geraten.

Warum Automatisierung nicht so einfach ist, wie es scheint

Logistikexperten wissen, dass die Automatisierung ihrer Dokumentenprozesse weit mehr ist als das simple Anwenden von OCR-Technologie auf ein paar Dokumente. Die Realität ist wesentlich komplexer. Die Dokumentenqualität schwankt teilweise dramatisch – vom makellosen digitalen PDF bis zum verwaschenem Scan voller handschriftlicher Notizen und aufgestempelter Vermerke. Manche Dokumente kommen  zerknittert oder schief eingescannt an, während andere je nach Reederei oder Spediteur völlig verschiedene Strukturen aufweisen.

Die wahre Komplexität zeigt sich jedoch erst beim Vergleich verschiedener Dokumente. Jede Rechnung muss mit ihrer zugehörigen Packliste übereinstimmen. Positionen auf Seefrachtbriefen müssen exakt den Einträgen auf Handelsrechnungen entsprechen. Gewichte und Abmessungen müssen in allen Dokumenten gleich sein. Versandkennzeichnungen und Containernummern dürfen nicht abweichen.

Zusätzlich gibt es vielfältige Geschäftsregeln: HS-Codes müssen validiert, Frachtführer-Credentials überprüft und Handelsvorschriften eingehalten werden. Besondere Aufmerksamkeit erfordern die speziellen Anforderungen für Gefahrgüter.

Dieses komplexe Geflecht ineinandergreifender Anforderungen schien bisher nur mit menschlicher Expertise und Erfahrung bewältigbar.

Die KI-Revolution verändert alles

Die erste Generation der Dokumentenautomatisierung setzte auf OCR und starres Template-Matching. In unserem Artikel „Die neue Ära der Dokumentenautomatisierung: Warum KI der traditionellen OCR überlegen ist“ zeigen wir: Diese frühen Projekte waren oft ressourcenintensiv mit begrenztem Nutzen. OCR Systeme erfordern perfekt ausgerichtete Dokumente, einheitliche Formate und umfangreiche Regelwerke für jeden einzelnen Dokumenttyp. Ein neues Dokumentformat bedeutete die Erstellung neuer Templates. Eine zusätzliche Sprache erforderte den Aufbau paralleler Verarbeitungsketten. Selbst minimale Abweichungen im Layout können das System zum Scheitern bringen. Bei schief eingescannten, beschädigten oder mit handschriftlichen Notizen versehenen Dokumenten blieb oft nur die manuelle Bearbeitung.

Moderne KI-Lösungen, insbesondere Large Language Models (LLMs), verändern die automatisierte Dokumentenverarbeitung grundlegend. Statt Dokumente in starre Schablonen zu pressen, passen sich KI-Systeme intelligent an die Dokumente an, mit denen sie konfrontiert werden. Sie lesen und verstehen auf einem nahezu menschlichen Niveau – erfassen den Kontext, leiten Bedeutungen aus umgebenden Informationen ab und können sogar teilweise oder beschädigte Textstellen sinnvoll interpretieren. LLMs meistern mühelos verschiedene Sprachen, erkennen diverse Dokumentformate und passen sich eigenständig an völlig neue Dokumenttypen an.

LLMs können zudem Beziehungen zwischen Dokumenten auf eine Weise erkennen, die für herkömmliche OCR und Textverarbeitung schlicht unerreichbar ist. Sie erkennen logische Widersprüche zwischen verschiedenen Dokumenten, validieren komplexe Geschäftsregeln und schlagen neue Validierungsmuster vor, basierend auf erkannten Mustern in den vorliegenden Daten.

Ein reales Beispiel: Seefrachtbrief-Automatisierung

Die Verarbeitung einer Seefrachtsendung von Shanghai nach Hamburg zeigt genau, welche Herausforderungen bei der Dokumentenvalidierung auftreten. Unser Beispiel umfasst einen kompletten Satz an Versanddokumenten: Seefrachtbrief, Handelsrechnung, Packliste, VDA-Transportdokumente und eine Verpackungsmaterial-Erklärung. Alle Dokumente enthalten überschneidende Informationen, die verglichen werden müssen.

Ein Blick auf den Seefrachtbrief verrät, dass wir es mit einer Containersendung auf dem Schiff INFINITE ROSENBLATT, Reise 0874-001W zu tun haben, die Autoteile von
GLOBAL SEA CARGO INTERNATIONAL
in Shanghai zu EXB RESEARCH & DEVELOPMENT in Deutschland transportiert. Eine gewissenhafte Bearbeitung erfordert Dutzende von Datenpunkten über all diese Dokumente hinweg zum Abgleichen. Hier nur ein Ausschnitt der notwendigen Kontrollen, die heute bereits von einer KI durchgeführt werden können:

  • Vollständigkeit der Dokumentation: Für diese Sendung muss ein lückenloser Dokumentensatz vorliegen, der je nach Handelsroute und Ladungsart spezifische Dokumente umfasst. Heute kann eine KI automatisch prüfen, ob alle erforderlichen Unterlagen vorhanden sind: der Seefrachtbrief, die Handelsrechnung, die Packliste, VDA-Transportdokumente und die Erklärung zum Verpackungsmaterial.
  • Konsistenz der Referenznummern: Die Handelsrechnung (Nr. 26687124) dokumentiert eine Sendung von Ladekabeln mit einem Gesamtwert von 208.273,20 EUR. Die KI verifiziert, ob diese Rechnungsnummer konsistent auf dem Seefrachtbrief, der Packliste und den VDA-Dokumenten erscheint.
  • Arithmetische Prüfungen: Die Packliste führt 40 Paletten mit 600 Kartons auf, die insgesamt 3.000 Einzelteile enthalten. Diese Zahlen müssen exakt mit den „40 Packages“ auf dem Seefrachtbrief und den in den VDA-Transportdokumenten vermerkten Mengen harmonieren. Die KI begreift durch kontextuelles Verständnis, dass sich „40 Packages“ auf dem Seefrachtbrief auf die Palettenanzahl bezieht, nicht auf die Paketmenge – eine Unterscheidung, die Verständnis des Kontexts erfordert.
  • Erkennung von Maßeinheiten: Eine besonders kritische Prüfung ist die Konsistenz von Gewichtsangaben. Das Bruttogewicht von 7.240 KG taucht in mehreren Dokumenten auf, allerdings in unterschiedlichen Formatierungen – als „7.240,000 KGS“ auf dem Seefrachtbrief und als „7220,00“ im VDA-Dokument. Eine KI erkennt hier, dass diese Werte eigentlich identisch sein sollten, und markiert die 20 kg Abweichung für eine menschliche Nachkontrolle.
  • Unscharfer Textabgleich: Die KI durchschaut auch kontextuelle Beziehungen, die nicht explizit definiert sind. Sie erkennt etwa, dass „GLOBAL SEA CARGO INTERNATIONAL
    (SHANGHAI) CO., LTD“
    und „Global Sea Cargo international (Shanghai) Co.,Ltd“ trotz unterschiedlicher Formatierung und Groß-/Kleinschreibung auf dasselbe Unternehmen verweisen – ein Vergleich, der ein menschenähnliches Textverständnis voraussetzt.
  • Nachschlagen von Referenzcodesystemen:

    Wenn die KI auf den HS-Code 6078945490999 im Seefrachtbrief erkennt, beschränkt sie sich nicht nur auf eine Formatprüfung – sie gleicht diesen zusätzlich mit der Produktbeschreibung „Ladekabel“ ab, um die inhaltliche Stimmigkeit der Klassifizierung zu verifizieren. Fehlt der HS-Code gänzlich, kann sie sogar den passenden Code vorschlagen, indem sie „Ladekabel“ semantisch mit dem korrekten HS-Code verknüpft. 

Diese Validierungsbeispiele verdeutlichen. dass eine erfolgreiche Dokumentenautomatisierung KI-Systeme braucht, die Datenbeziehungen und Geschäftsregeln ganzheitlich erfassen – weit mehr als simple Datenextraktion.

Eine Platt­form,
un­endliche Möglich­­keiten.

ExB ist eine Intelligent-Document-Processing-Plattform, die unstrukturierte Daten aus jeder Art von Dokumenten in strukturierte Ergebnisse verwandelt. Unsere KI-basierte Software kann nicht nur alle relevanten Informationen Ihrer Dokumente auslesen, sondern diese auch verstehen. So können Sie Ihre Prozesse automatisieren und sparen sowohl Zeit & Geld, während sich gleichzeitig Ihre Customer Experience und Mitarbeiterzufriedenheit verbessert. Win-win.

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Die Zukunft beginnt heute

Die Automatisierung der Dokumentenvalidierung mit KI ist keine abstrakte Zukunftsvision mehr – sie transformiert Logistikabläufe schon heute. Der bestechende Beweis: Jede einzelne der oben beschriebenen Validierungsprüfungen wurde von unseren KI-Systemen bei ExB eigenständig entdeckt und durchgeführt. Die KI identifiziert völlig autonom die Beziehungen zwischen Dokumenten, erkennt Kontextvariationen und wendet komplexe Geschäftslogik an, ohne dass ein Mensch diese explizit programmieren muss.

Der nächste revolutionäre Schritt ist die nahtlose Integration in Ihre Systeme. Wenn unsere KI-Lösungen Versanddokumente validieren, erzeugen sie strukturierte, verifizierte Daten, die automatisch in Transportmanagementsysteme (TMS), Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme und Zollplattformen einfließen. Dies eröffnet einen vollständig automatisierten Prozess, bei dem Dokumente als unstrukturierte PDFs eingehen und als vollständig strukturierte, validierte Datensätze herauskommen. Menschliche Expertise wird nur noch für das Management von Ausnahmefällen benötigt.

Fazit

Die KI-Revolution in der Dokumentenverarbeitung markiert einen entscheidenden Wendepunkt für Logistikunternehmen. Herkömmliche Systeme scheiterten an komplexen Logistikdokumenten. Moderne KI bringt nun ein nahezu menschliches Verständnis in die Dokumentenvalidierung – sie erkennt Zusammenhänge, findet Widersprüche und lernt aus Mustern auf eine Weise, die kürzlich noch Science-Fiction war.

Der Blick nach vorn zeigt: Die Frage ist nicht mehr, ob die Dokumentenvalidierung automatisiert werden sollte, sondern wie sie am effektivsten implementiert werden kann. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Wahl von Lösungen, die Logistikdokumente wirklich verstehen und sich einfach in bestehende Arbeitsabläufe integrieren lassen.

Sind Sie bereit, die Engpässe bei der manuellen Dokumentenprüfung hinter sich zu lassen? Kontaktieren Sie uns bei ExB für eine maßgeschneiderte Demo und erleben Sie aus erster Hand, wie unsere KI-Lösungen sich nahtlos in Ihre Dokumenten-Workflows einfügen – und Ihrem Team die Freiheit geben, sich auf strategisch wertvolle Aufgaben zu konzentrieren.

Inhaltsverzeichnis

Geschrieben von:

Holger Trittenbach
Holger Trittenbach ist promovierter Informatiker mit mehr als zehn Jahren Erfahrung in der Entwicklung datenintensiver Systeme. Als Head of Product & Machine Learning verantwortet er seit November 2024 die Produktstrategie und KI-Entwicklung von ExB.
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